Fachartikel Automation , Energiemarkt , Software

Automatisierter Kurzfristhandel

Tools für den Handel am Schweizer Intra-day-Markt

09.04.2017

Die gehandelten Mengen im Kurzfristbereich nehmen in der Schweiz zu. Diese Zunahme, insbesondere im Intra-day, ist jedoch in der Umsetzung der Handelsstrategie sehr aufwendig, da rund um die Uhr alle Stunden verfolgt werden müssen. Software-Anbieter stellen hierzu Tools zur Verfügung, welche die Händler mittels Automation unterstützen.

Der Anteil der kurzfristig gehandelten Strommengen nimmt stetig zu. Die Zahlen der EPEX Spot, welche unter anderem den deutschen, den französischen und den Schweizer Marktplatz betreibt, zeigen kontinuierlich steigende Handelsvolumen im Day-ahead (Auktion der Stunden für den Folgetag) und im Intra-day (untertägiger kontinuierlicher Handel von Stunden und Viertelstunden).

Das untenstehende Bild zeigt die an der EPEX Schweiz gehandelten Intra-day-Volumen. Für das Schweizer Intra-day-Segment sind aktuell 66 Teilnehmer zugelassen. 2016 wurden dort 1,78 TWh gehandelt (zum Vergleich: In Deutschland wurden letztes Jahr schon 34,19 TWh im gleichen Segment gehandelt). Es gibt mehrere Gründe für die steigenden Volumen: In Deutschland haben der Day-ahead- und der Intra-day-Markt mit der Einführung der zwingenden Direktvermarktung der erneuerbaren Energien wie Wind oder Sonne markant zugenommen. Ende 2016 wurden knapp 60 GW in Deutschland in der Direktvermarktung registriert.[1]

Chancen für Zusatzerlöse

Für den Schweizer Markt wird aktuell die Einführung der Direktvermarktung diskutiert. Neue Marktakteure bündeln Flexibilität und stellen diese ebenfalls kurzfristig zur Verfügung. Diese steigende Liquidität in Verbindung mit den volatilen Preisen macht es für viele Akteure interessant, am Intra-day-Markt teilzunehmen. Die Preise im Intra-day-Handel schwanken verglichen mit dem Day-ahead-Preis, der einmalig im Rahmen einer Auktion ermittelt wird. Daraus ergeben sich Chancen für Zusatzerlöse.

Die Preise für die Lieferung einer bestimmten Stunde können über den Handelszeitraum sowohl über dem Spot-Preis als auch wieder darunter fallen. Es können somit weitere Mengen zu höheren Preisen verkauft oder bei niedrigen Preisen zurückgekauft werden. Kältewellen im Winter, verbunden mit längeren Ausfällen grosser Bandlasterzeuger (wie in diesem Winter Kernkraft in Frankreich und in der Schweiz), können zu hohen Preisen im Kurzfristmarkt führen.

Exemplarisch illustriert das untenstehende Bild die Preisentwicklung des 30. November 2016. Die Stunde 19 mit dem hohen Intra-day-Preis war allerdings nicht sehr liquid: Es wurden lediglich 31 MW gehandelt. Der Januar 2017 bot sehr attraktive Preise für Verkäufer. Viele Marktteilnehmer nutzen den Intra-day-Markt zusätzlich, um ihr Ausgleichsenergie-Risiko zu minimieren.

Je näher der Lieferzeitpunkt liegt, desto genauer werden Prognosen für volatile Erzeuger aber auch für die Last. Diese untertägigen Prognoseläufe können zu Differenzmengen führen, welche im Rahmen der Bewirtschaftung am Intra-day-Markt glattgestellt werden und damit das Risiko aus Auf- oder Abschlägen aus den Ausgleichsenergie-Preisen minimieren. Im Jahr 2016 betrug der durchschnittliche Aufschlag (Ausgleichsenergie-Preis – Spot-Preis) für Mehrmengen in der Schweiz 17,88 EUR/MWh und für Mindermengen 22,93 EUR/MWh.[2]

Allerdings ist es vor allem im Intra-day-Markt nicht einfach, alle Stunden (und Viertelstunden) andauernd zu verfolgen und ständig seine Gebote anzupassen. Der kontinuierliche Intra-day-Handel startet am Vortag nach Abschluss aller Auktionen um 16 Uhr. Das heisst, es können für die Stunden und Viertelstunden des Folgetages Kauf- und Verkaufsgebote auf der Börsenplattform eingestellt und immer wieder angepasst werden.

Genügend Liquidität, um kleine Mengen zu handeln

Das untenstehende Bild zeigt die mittleren gehandelten Mengen des Jahres 2016 für den Schweizer Markt nach Tageszeiten (zum Beispiel Bürozeit 8–20 Uhr) und Wochentagen. Die Grafik verdeutlicht, dass es in der Schweiz mit den noch niedrigen Volumen über weite Zeiträume ausserhalb der Bürozeiten schon genügend Liquidität gibt (>100 MW), um kleine Mengen zu handeln. Tagsüber und am Wochenende sind genug Teilnehmer am Markt aktiv. Die Handelstätigkeit (und damit die Liquidität) nimmt zu, je näher sie am Handelsschluss des jeweiligen Produkts liegt.

Das ständige Nachführen der eigenen Gebote ist zeitaufwendig, da der Handel rund um die Uhr stattfindet. Somit war es bis jetzt vor allem für Unternehmen mit einer Schicht- oder Pikettorganisation interessant. Der Aufbau eines Schichtbetriebs ist jedoch mit hohen Kosten verbunden. Die gros­sen Unternehmen bieten ihre Vermarktungsdienstleistungen zwar am Markt an, aber Kunden geben ihre Preisstrategien natürlich ungern an direkte Wettbewerber weiter.

Unabhängige Anbieter und spezialisierte Hersteller

Hier kommen die neuen Anbieter ins Spiel. Neben unabhängigen Dienstleistern gibt es auch Software-Hersteller, die mit neuen Produkten den mittelgrossen Unternehmen Tools zur Unterstützung zur Verfügung stellen. Die Palette reicht dabei von einer Teil- bis zur Vollautomation des Intra-day-Handels. Diese Digitalisierung der Intra-day-Bewirtschaftung startete vor knapp zwei Jahren. Die Börse EPEX Spot bietet ihren Kunden eine schnelle Schnittstelle (M7) an, über die gelesen und geschrieben werden kann. Somit können alle Inhalte des Orderbuchs (Gebote mit Preis-/Mengeninformationen) in einer eigenen Anwendung verwendet werden. Bei der EPEX Spot sind die zertifizierten unabhängigen Software-Anbieter im Dokumentarbereich aufgelistet.

Vergleich gängiger und vollautomatisierter Handel

Im untenstehenden Bild werden links der gängige Intra-day-Handel und rechts eine vollautomatisierte Variante dargestellt. Auf der linken Seite gibt der Händler seine Gebote über die Anwendung Comtrader ein. Der Comtrader wird von der Börse zur Verfügung gestellt. Er dient dazu, die Gebote ins Orderbuch zu übertragen und Informationen zum Handel zu übermitteln. Werden Geschäfte ausgeführt, wird das im Comtrader angezeigt und die Geschäfte werden von Hand oder teil­automatisiert in das Portfolio-Management-Tool (PFM) übertragen. Dann wird der Fahrplanverantwortliche informiert, welcher die entsprechenden Nominationen (NOM) beim Übertragungsnetzbetreiber fristgerecht vornimmt. Das alles findet oft unter grossem Zeitdruck statt, da die Liquidität meist kurz vor Handelsschluss des jeweiligen Handelsprodukts attraktiv wird. Dabei besteht die Gefahr eines Eingabefehlers, der aufgrund des Zeitdrucks nicht mehr rechtzeitig korrigiert werden kann.

Auf der rechten Seite des Bildes sind folgende Unterschiede wesentlich: Die Schnittstelle zur Börse (M7) ist hoch performant und überträgt alle nötigen Informationen, zum Beispiel für Autotrader. Das Autotrader Tool wird im einfachsten Fall vom Händler mit einer Strategie gefüttert. Diese umfasst zum Beispiel gewünschte Mindest- respektive Maximalmengen mit entsprechenden Preisen sowie eine zeitliche Vorgabe, bis wann welche Mengen zwingend gehandelt werden sollen.

Der Umfang der Vorgabemöglichkeiten ist hier je nach Software-Anbieter unterschiedlich. Die Eingabe der Strategie kann einmalig erfolgen und bei Bedarf angepasst werden (sie kann als Vorlage gespeichert werden). Der Autotrader kann mit diesen Vorgaben dynamisch auf das sich ändernde Orderbuch reagieren. Werden Geschäfte ausgeführt, wird dies vom Autotrader ins PFM übertragen. Der Händler kann sich in dieser Zeit anderen Themen widmen. Einige Autotrader können in Verbindung mit dem PFM vollautomatisch die Fahrpläne erstellen und versenden, so dass fristgerecht nominiert wird. Dies kann beispielsweise dazu genutzt werden, ohne Schichtbetrieb in der Nacht am Intra-day-Markt teilzunehmen. Für Versorger, welche Positionen aus Kraftwerken handeln, ist das aber eher unrealistisch, da im Nachgang zum Intra-day-Handel zusätzlich noch Kraftwerke geändert werden müssen.

Fehlerquote sinkt dank Automation

Ein grosser Vorteil der Automation sind die Entlastung des Händlers und gegebenenfalls der Fahrplan-Manager sowie die Reduktion von Fehlern. Händler, die Preise für Stunden und Viertelstunden stellen, müssten sonst ständig bis zu 120 Produkte überwachen. Einige Hersteller bieten eine weitere Ausbaustufe an, das sogenannte Algotrading. Während der Autotrader ein fixes Set an Parametern verarbeitet, können beim Algotrader über Skripte eigene komplexe Strategien umgesetzt werden, die sich dynamisch anpassen.

Aktuell gibt es um die zehn Anbieter, die Software-Lösungen für die unterschiedlichen Nutzergruppen anbieten. Der Funktionsumfang ergibt sich meistens aus den Kernkompetenzen der Software-Hersteller (zum Beispiel Marktzugang, Kraftwerksoptimierung, Fahrplanwesen oder Prognosen). Neben internationalen Software-Anbietern, deren IT-Produkte eher bei den grossen Handelshäusern zur Anwendung kommen und die traditionell über Erfahrung in Automation und Risiko-Management verfügen, bieten auch renommierte europäische Hersteller von EDM- und PFM-Systemen Lösungen an, die vor allem die mittelgrossen Marktteilnehmer ansprechen, welche Kraftwerke und Vertriebspositionen managen und optimieren. Als dritte Gruppe gibt es Dienstleister, die eher Start-ups sind und die Software Tools für genau dieses Element des Handels entwickelt haben. Produktive Systeme, die täglich im Einsatz sind, gibt es für den Zugang zur EPEX Spot aktuell von vier Anbietern. Hinzu kommen noch ein paar Eigenentwicklungen grosser Handelshäuser.

Börse passt sich Autotradern an

Der Einsatz der ersten Autotrader hat bei der Börse bereits im April 2016 zu Anpassungen geführt. Zu Beginn haben einzelne Tools sehr häufig innerhalb kürzester Zeit Orders mit Miniänderungen von 0,01 EUR/MWh an die Börse gesendet. Dies hat die Systeme so sehr belastet, dass sich die Börse gezwungen sah, die kleinste Preisänderung auf 0,1 EUR/MWh anzuheben. Zusätzlich wurde eine Pönale für zu häufige Orderänderungen ohne Geschäftsabschluss eingeführt. Aktuell wird das Verhältnis der Gebote zu Geschäften («order-to-trade», OTR) gemessen und für jede OTR-Verletzung (>50) wird eine Pönale von 100 EUR fällig.[3] Zusätzlich wurde eine Unterteilung der Handelsgebühr eingeführt, welche jene Händler belohnt, die früh Gebote einstellen, die dann tatsächlich ausgeführt werden. Dabei wird überwacht, wer ein Gebot zuerst eingestellt hat, welches dann mit einer Reduktion der Handelsgebühr um 20 % belohnt wird.

Die Einführung eines Autotraders wird in den wenigstens Fällen einen Schichtbetrieb vollständig ersetzen können. Die Möglichkeit, auf diese Art und Weise Zusatzerträge zu generieren und Fehler zu reduzieren, ist jedoch sehr aussichtsreich; zumal die Lizenz- und Betriebskosten eines solchen Tools grob in der Höhe der Kosten einer FTE liegen.

Referenzen

[1]   Portal der deutschen Übertragungsnetzbetreiber www.netztransparenz.de.
[2]   Eigene Berechnung.
[3]   Preisliste EPEX Spot, die ersten vier OTR-Verletzungen pro Monat sind frei.

Autor
Frank Pleuler

ist Geschäftsführer der Beratungsfirma Energy Partner.

  • EnPa GmbH, 8055 Zürich

Kommentare

Andreas Fehlow,

Interessanter Artikel !

Was ist die Summe aus 7 und 7?